Die junge, alleinerziehende Mutter ist zunehmend beunruhigt.

Ihr elfjähriger Sohn verhält sich ganz seltsam.

Verschliesst sich immer mehr.

Sie hat den Verdacht, dass er gemobbt wird.

Wahrscheinlich vom Lehrer in der Schule!

Sie ist fest entschlossen, sich für ihn einzusetzen. Ihn zu schützen und für ihn zu kämpfen.

So ungefähr ist der Anfang von einem neuen japanischen Film, der gerade in die Kinos gekommen ist.

Er heißt »Kaibutsu«.

Während am Anfang alles darauf hindeutet, dass der Lehrer das titelgebende Monster ist, vor dem sich die Kinder fürchten, verändert sich dieses Bild im Lauf des Films. Und zwar völlig.

Je mehr man – nach und nach – die unterschiedlichen Perspektiven der verschiedenen Akteure kennenlernt, umso verwirrender wird das Ganze.

Wer mobbt hier wen?

Der Lehrer die Kinder? Die Kinder den Lehrer? Die Kinder einander? Die Eltern die Kinder? Die Kinder die Eltern? Die Eltern die Lehrenden? Jeder jeden?

Wem kann man vertrauen? Wer ist Freund? Wer ist Feind?

Wer sind die Guten? Wer sind die Bösen?

Die Erkenntnis dämmert: Die Dinge sind meist ganz anders, als sie zu sein scheinen.

Der erste Eindruck ist oft irreführend.

Deshalb ist es besser, ein bisschen vorsichtig zu sein mit Urteilen und Einschätzungen.

Es ist oft besser, ganz genau hinzuhören, hinzuschauen, hineinzufühlen.

Das irritierende Verhalten anderer kann sich erschließen, wenn du die Geschichte und Hintergründe eines Menschen besser kennst.

Wenn du erst einmal die Hintergründe kennst, wird dir klar, warum jemand so ist, wie er ist.

Warum jemand so handelt, wie er handelt.

Und du merkst, dass wir gar nicht so verschieden sind, wie wir glauben.

Dass wir alle nur irgendwie – und manchmal sehr ungeschickt – versuchen, mit diesem Leben klarzukommen.

So gut wir halt können.

Und dass wir alle nur menschliche Wesen sind.

Wesen, die sich nach Frieden, Liebe, Anerkennung und Zugehörigkeit sehnen.

Auch wenn man das auf den ersten Blick manchmal nicht vermuten würde.

Auch wenn das Verhalten niemals darauf schließen lassen würde.

Deshalb ist es so wichtig, mit unseren Urteilen und Reaktionen ein wenig zurückhaltend zu sein.

Nicht blind und voreilig zur Aufschaukelung und Eskalation von Ereignissen beizutragen.

Das ist der Grund, warum ich praktiziere.

Das ist der Grund, warum ich übe und mich regelmäßig auf das Kissen setze.

Mal gelingt es mir besser. Mal schlechter.

Aber ich kenne nichts Besseres, um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.