Soll ich dir was verraten?

Ich finde Zen blöd.

Nein, bitte versteh mich nicht falsch: Ich finde nicht unsere Zen-Praxis blöd.

Was mich stört, ist der Begriff.

Ein Begriff ist wie ein Etikett, das wir auf etwas kleben, das sich eigentlich jeder Kategorisierung entzieht.

Um ihm einen Namen zu geben.

Um ‚es‘ dingfest zu machen.

Das, was ist, wird zu einem Ding, zu einer Sache, zu einem Etwas.

Indem wir einen Begriff erfinden, bekommt das Etwas einen Griff.

Jetzt können wir uns daran festhalten. Es hin und her schieben. HerumrĂŒcken. Darum streiten. 

Wir Menschen lieben es, Dinge zu benennen, einzuordnen, zu kategorisieren und zu schubladisieren.

 

Eine Schublade fĂŒr den Job.
Eine fĂŒr die Familie.
Eine fĂŒr den Sport.
Eine fĂŒr die Gesundheit.
Eine fĂŒr das Geld.
Eine fĂŒr den Urlaub.
Eine fĂŒr die Philosophie.

Eine Schublade fĂŒr deine Dinge. 
Und eine fĂŒr meine.

Eine Schublade fĂŒr das Gute, das wir wollen.
Und eine fĂŒr das Schlechte, das wir ablehnen.

Alles schön sÀuberlich getrennt.

So halten wir Ordnung.

So haben wir Kontrolle.

Zumindest scheinbar.

Aber dann gibt es diese besonderen Momente. Vielleicht, wÀhrend du auf den Zug oder Bus wartest. Ein ruhiger Augenblick, in dem dir die schönen Formen und Farben der Wolken am Himmel bewusst wird. Das Zwitschern der Vögel. Das Rauschen des Baches. 

Plötzlich steht die Welt still. 

Alle Worte, Begriffe und Schubladen werden nebensÀchlich.

Du bist einfach nur da.

Zen kann eine Schublade sein, und gleichzeitig das Gegenteil davon: ein Fenster zur Welt, das uns einen neuen Blick eröffnet.

Im Zen dĂŒrfen alle Dinge, die wir fein sĂ€uberlich auseinander sortiert haben, wieder zusammenkommen. 

Die Vielzahl der Dinge wird wieder als das erkennbar, erlebbar und erfahrbar (!), was sie eigentlich ist: Als ein fließendes Ganzes.

FĂŒlle und Leere gleichzeitig.

Egal ob ich gerade stehe, gehe, liege oder sitze: ich befinde mich auf diesem blauen Planeten, der mich hÀlt, trÀgt und nÀhrt.

Und mit diesem Planeten fliege ich durch den unermesslich großen Weltraum.

Ist das alleine nicht schon ein unfassbarer Gedanke?

Und dieses Sein verbindet mich gleichzeitig mit allem, was ist, was war und was sein wird. 

Nichts existiert getrennt fĂŒr sich allein.

Erde. Wasser. Luft. Licht.

Du. Ich.

Alles ist miteinander verbunden in diesem Augenblick bewusster Erfahrung.

Bist du heute schon gesessen?