Vor kurzem war ich mal wieder im Zug unterwegs – von Florenz nach Bregenz. Eine Strecke, die ich seit dem Frühjahr relativ häufig fahre. Tür zu Tür sind es etwa zehn Stunden, mit zweimal Umsteigen.

Meistens klappen die Verbindungen wie am Schnürchen, und die Zeit vergeht wie im Flug, während ich in Ruhe lesen oder arbeiten kann.

Meistens, aber nicht immer. Gelegentlich kommt es schon zu Verspätungen oder Zugausfällen, und so ist es auch schon vorgekommen, dass ich zwölf oder fünfzehn Stunden unterwegs war.

Irgendwann habe ich angefangen, bei Verspätungen meinen Geist zu beobachten. Und manchmal auch den meiner Mitreisenden. 😇

Und neulich gab es dazu reichlich Gelegenheit. In meinem Abteil saß ein junges Pärchen aus Deutschland, verliebte Rucksacktouristen auf dem Weg nach München, und eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, zwei und fünf Jahre alt.

Am Brenner blieb der Zug planmäßig stehen, fuhr dann aber nicht mehr weiter. Ein Schaden am Zugfahrzeug, hieß es. Aus einem kurzen Aufenthalt wurde eine Wartezeit mit unbekannter Dauer. Einige Fahrgäste wurden unruhig und suchten nach alternativen Verbindungen, andere gingen hinaus, um eine Zigarette zu rauchen.

Die Rucksacktouristin sagte zu ihrem Freund, dass sie die Toilette am Bahnhof aufsuchen wolle, und verließ das Abteil. Während ich noch überlegte, ob ich vielleicht besser in einen Regionalzug umsteigen sollte, schlossen sich plötzlich ohne Vorwarnung die Türen und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Nun packte den Freund der Rucksacktouristin die Panik. Hektisch sprintete er los, erst in Richtung Lokomotive, dann zurück durch den Zug, auf der Suche nach einem Schaffner. „Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee, die Notbremse zu ziehen“, dachte ich noch. Doch plötzlich tauchte seine Freundin wieder auf. Sie hatte den Zug gar nicht verlassen! Die beiden fielen sich erleichtert in die Arme. Alles gut, nichts passiert!

Oder besser gesagt: Es war wirklich nichts passiert. Die ganze Aufregung hatte nur in unseren Köpfen stattgefunden.

Ein komplettes Kontrastprogramm dazu bot die junge Mutter mit ihren Kindern. Kleine Kinder im Zug können ja manchmal eine echte Herausforderung sein – aber nicht diese Familie. Obwohl schon seit fünf Uhr früh unterwegs, ließ die Verzögerung am Brenner die Mutter völlig unbeeindruckt. Sie wirkte komplett entspannt und ganz bei sich – und diese Ruhe übertrug sich auch auf ihre Kinder.

Beim Umsteigen in Innsbruck stellte sich dann heraus, dass mein Anschlusszug zwei Stunden Verspätung hatte. Statt mich zu ärgern, musste ich an die junge Mutter denken, und nahm sie mir gleich zum Vorbild, um mich in Gelassenheit zu üben.

Denn, wie ich bei dieser Gelegenheit wieder einmal lernen konnte: Die wahre Herausforderung sind oft weniger die äußeren Umstände, als vielmehr die Kunst, die innere Ruhe zu bewahren.

Bist du heute schon gesessen?